Zweizapfenkipper

Von Heidelberg bis Haßmersheim gab es um die 120 Sandsteinbrüche am Neckar.
Allein im Umkreis von Eberbach sind es 43.
Die meisten hatten ihre Blütezeit in der 2. Hälfte des 19.Jh.

Es ist also kaum mit signifikanten Feldbahnüberresten zu rechnen - wenn man von diesem hier absieht:
https://feldbahn-dossenheim.de.tl/Lorenbergung-in-Neckargem.ue.nd.htm
 Aber dieses Material ist ja auch erst vom Nachnutzer eingebracht worden.


Umso interessanter dieser Fund im Ersheim.
Zunächst sah alles wie üblich von der Erosion eingenommen aus, schlechte Aussichten um Schrott zu finden.








Doch dann - Abraumhalden eindeutig mit Loren aufgefahren.




Prompt am Fuß der Halde:





Der Zustand der Lorenwanne ist erbärmlich, sie wurde mit einem Bagger in die Halde gedrückt und dabei zusammengefaltet. Zunächst hielt sich mein Interesse in Grenzen, obwohl klar war dass es ein seltenes Stück ist.
Doch die Lore ist nicht nur selten, sondern wahrscheinlich die älteste erhaltene Kipplore Deutschlands.

Der Kontakt zum Förster und dem Eigentümer des ehemaligen Steinbruchs stand schnell, also wurde zur Bergung ausgerückt.




Das Blech der Wanne ist extrem porös und bricht bei der geringsten Beanspruchung, daher wurde vorsichtig freigelegt. 




Mit dem Passat Wagenheber aus dem Boden gestemmt.










Unter der Wanne kam statt des erhofften Fahrgestells diese Tüte zum Vorschein. Das bestätigt die Erzählungen, dass die Lorenwanne erst beim Radwegbau um 1985 an ihren jetzigen Platz gedrückt worden sein soll.






Vor dem Radwegbau soll aber auch noch das Fahrgestell vorhanden gewesen sein. Derart scharf gemacht, wurde das Gelände mit dem Metalldetektor abgesucht.



Doch außer Schienenstücken fand sich nur Zivilisationsmüll.




Auf der anderen Seite des Neckars warteten die Pleitegeier.




Als dann auch noch "rein zufällig" ein Schrottschiff ankam, zogen wir es vor, unseren "Schatz" in Sicherheit zu bringen.






Beim Abladen vom Anhänger ist die Wanne in zwei Teile zerfallen.






Meine Begeisterung für den Neuzugang hielt sich sehr Grenzen.
Zunächst schweißte ich ein Gestell aus Schienenstücken zusammen, um die Lorenwanne in unserem Museum präsentieren zu können.




Das Bild eines Zweizapfenkippers aus Meyers Konversationslexikon von 1890 hatte am ehesten Ähnlichkeit mit unserem Fund. Aus der Zeit existieren ja nur wenige Fotos.
Zweizapfenkipper waren die ersten Kipploren, wurden nur kurz von 1875-1890 gebaut und recht schnell von den heute noch bekannten Loren mit geradem Wiegebalken und gewölbtem Bock abgelöst. Hersteller war z.B. Krupp.




In Frankreich wurden Zweizapfenkipper allerdings noch bis in die 1920er Jahre gebaut und sind dort noch, aber auch sehr selten, anzutreffen.




So ein altes, rares Stück ist natürlich eine Verpflichtung und daher reifte der Wunsch die Lore wieder auferstehen zu lassen. Doch nicht etwa mit Neuteilen, es sollten schon Teile von zeitgenössischen Wagen sein, alle Teile mussten Rostnarben und vor allem Gebrauchsspuren haben. Nach fast drei Jahren ging es los.






Zunächst wurde die Wanne inspiziert. Die Stirnseiten sind brauchbar, eine größere Wanne soll zur Gewinnung von Reparaturblechen geschlachtet werden.




Ein Sägewerksfahrgestell, mit 700mm Spurweite, viel zu breit und mit langem Radstand aber genietetem Rahmen wird die Basis für das Fahrgestell des Zweizapfenkippers.












Aus meiner Industriezeit bin ich rationelles Arbeiten gewohnt und so habe ich gleich zwei Projekte gleichzeitig in Angriff genommen, denn ein nicht viel jüngerer französischer Wagen mit besonders tollen Rädern soll ebenfalls wieder rekonstruiert werden.
Dazu wurde zunächst ein weiterer Sägewerkswagen geschlachtet, der nur wegen seiner Speichenräder gekauft wurde. 




Dessen Speichenräder wurden an einer unserer Kipploren verbaut, die sowieso nicht mehr ihre originalen Radsätze hatte.




Nun sind die Vorbereitungen abgeschlossen.
Die Einzelteile, beziehungsweise Überreste von 8 Loren, wurden in die heimische Werkstatt verfrachtet. Daraus werden wieder zwei komplette Wagen entstehen.




Aus den U-Schienen des geschlachteten Sägewerkswagen wurde ein Rahmen für den kleinen Franzosen gebaut.
Mit neuen Nieten und Knotenblechen.




Das originale Fahrgestell war verzogen, verrostet und zu schmal, denn der französische Wagen hatte ursprünglich nur 500mm Spurweite.
Also mussten auch die wunderschönen Achsen des Herstellers Petolat verbreitert werden.
















Die originalen Puffer und Gehänge wurden ebenfalls wieder verwendet. Aufgrund der Vorbereitung der Rahmenteile auf den Werkzeugmaschinen war dieser Wagen schnell fertig.







Der Zweizapfenpipper bekam ebenfalls sehr alte Räder, die noch keinerlei Versteifungsrippen haben. Dafür dicke Fettkrusten aus 80 Jahre Arbeit im Bergbau und 45 Jahren Stillstand.




Dazu eine Achse aus Rundstahl und Hülsen, um den Durchmesser an die Achslager anzupassen. Zur Herstellung der Hülse wurde Stahlrohr auf der Drehmaschine passend innen ausgedreht.



Am zukünftige Rahmen des Zweizapfenkippers wurden 13cm in der Breite herausgetrennt und alle nicht benötigten Löcher zugeschweißt.








Die Bohrungen für die Achslager und die Böcke werden auf der Säulenbohrmaschine hergestellt.








In den Rahmen wurden Fenster geschnitten, mit denen die Puffer einer uralten Jules Weitz Lore mit ihren originalen Nieten von hinten verschweißt wurden.




Die Fenster wurden wieder bündig mit Schweißgut aufgefüllt und unkenntlich verschliffen, aufgesetzte Nietenköpfe machen die Täuschung perfekt.






Die Schlachtlorenwanne wird zerschnitten. Sie ist an den Stirnseiten demoliert und da sie jahrzehntelang kopfüber lag obenrum zerfressen, wie gut ich hatte sie noch nicht entsorgt, denn sie ist für das Vorhaben genau richtig.




Durchrostungen an den Stirnwänden, die einzig originalen Teile des Zweizapfenkippers, sollen zunächst behutsam beseitigt werden. 



Ein Flicken mit genauso Rostnarben wird am Ausschnitt angepasst.




Kleine Löcher werden direkt zugepunktet.




Nun ist bereits alles wieder verschliffen und nach ein paar Wochen im Regen wird davon nichts mehr zu sehen sein.




Im Prinzip genauso wird das große Blech eingeschweißt.
















An diesem Zweizapfenkipper fehlt zwar die Wanne, aber die Abrollvorrichtung ist schön zu erkennen und dient als Vorbild.




An der Bandsäge ist sie aus den Abfallstücken von U-Schienen schnell nachgefertigt.








Zusammen mit den ebenfalls neu angefertigten Böcken erinnern wir uns an ein weiteres Urlaubsbild:




Provisorisch zusammengesetzt sieht man so langsam was es werden soll.






Die Böcke werden zwar am Rahmen verschraubt, doch soll es später genietet aussehen.




Die M16 Schrauben, deren Köpfe in die Form von 16er Nieten geschliffen wurden, werden mit dem maximalen Anzugmoment verschraubt.
Danach wird knapp die Hälfte des Überstands der Schraube und der Mutter wegschnitten und zunächst die Hälfte der Schraube verschweißt.




Danach wird die zweite Hälfte abgetrennt und verschweißt, nur so konnte die nötige Flächenpressung der unechten Nietverbindung erreicht werden. Nach dem Verschleifen aufgesetzte Nietenköpfe machen auch hier die Täuschung perfekt.







Die seitlichen Versteifungsprofile der Wanne waren ziemlich verbogen und verdrückt.




Nach zwei Stunden Zuspruch mit Schweißbrenner und Hammer sind sie wieder zu verwenden.




Durch gebohrte Löcher werden sie mit der Wanne verschweißt, der jeweilige Schweißpunkt wird dabei einer Senkniete nachempfunden und verschliffen.








Der dabei leider entstandene Verzug wird wie gewohnt pragmatisch zurück geformt.
Was nicht ganz gelingt.




Nach der Fertigstellung durften die beiden Wägelchen eine Woche zusammen im Novemberregen rosten. 





Der Transport und die Proberfahrt erfolgten bei strömendem Regen, so dass Fotos erst eine Woche später gemacht wurden.




Besonders gut passen die beiden zum Langholzwagen.








Die Lorenwanne ist nicht arretierbar. Das hat man wohl um 1890 noch nicht für nötig erachtet, Arbeitssicherheit war damals noch gänzlich unbekannt.
Dazu passend gibt es eine Geschichte aus eben einem der Sandsteinbrüche am Neckar aus dem späten 19. Jahrhundert:
Ein Arbeiter wurde beim Verladen eines Gesteinsbrocken schwerst verletzt. Doch durfte auf keinen Fall die Arbeit unterbrochen werden. Daher wurde seine Frau gerufen, sie versuchte ihn daraufhin mit einer Karre ins Dorf zum Arzt zu fahren.
Auf dem Weg dorthin ist er dann gestorben.


So etwas ist unserer heutigen überregulierten Arbeitswelt zum Glück nicht mehr vorstellbar. Sehr wohl aber immer noch in Afrika und Asien, also denkt mal darüber nach ob es wirklich schon wieder ein neues Handy sein muss und ob das alte Auto nicht noch eine Weile fährt.

Zum Schluss gibt es noch bewegte Bilder:

https://youtu.be/Fi_vvlmxnVo

https://youtu.be/R1BDVB22Qsg
 


Fahrtage
 
Veranstaltungen:

Fackelfahrt am 06.01.2024 16-20 Uhr
Ausweichtermine bei schlechtem Wetter
13. oder 20.1.2024.

Fahrtage am 24.3. und 22.09.2024
11-17 Uhr:
Fahrten mit dem Personenzug
und Schaufahrten mit
historischen Lorenzügen.
Um 13:00 Führung
durch die Feldbahnsammlung
 
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